Was tun, wenn User oder sogar Ihre Stammkunden über Ihre Werbekampagne oder Ihre Posts in den sozialen Medien verärgert sind?
Werbekampagnen und Shitstorm
Werbekampagnen setzt mittlerweile fast jedes Unternehmen ein - angefangen von der Handelskette Edeka, über den Baumarkt Hornbach bis hin zu unzähligen kleineren Unternehmen. Manchmal bringen Unternehmen mit ihrer Werbung bewusst oder unbewusst große Teile der Community in einem Shitstorm gegen sich auf. Soziale Medien eignen sich hervorragend dazu, solche Kampagnen entsprechend zu kommentieren und seinem Unmut Gehör zu verschaffen. Beispiele hierfür gibt es viele:
Erinnern Sie sich noch an das Muttertags-Werbevideo der Agentur "Jung von Matt" für Edeka? Dazu hagelte es harsche Kritik bis hin zu der Drohung, künftig nicht mehr bei Edeka einkaufen zu wollen. Über 10.000 zumeist negative Kommentare finden sich hierzu auf der Edeka Facebookseite. Ursache für diesen Sturm der Empörung war lediglich, dass Väter in diesem Werbespot etwas hilflos dargestellt wurden.
Auch Hornbach erging es bei seiner Frühjahrskampagne nicht besser. In einem Video, produziert von der Agentur "Heimat", wird am Ende eine Frau asiatischer Herkunft eingeblendet, die verzückt an der verschwitzten Wäsche eines Mannes riecht. Das, was Hornbach sicher humoristisch gemeint hatte, führte zu einem Shitstorm, in dem Hornbach Rassismus und Sexismus unterstellt wurde.
Wie geht man mit einem Shitstorm um?
Wenn leicht provokante Werbebotschaften eingesetzt werden, sollte man besser schon im Vorfeld gerüstet sein. Man sollte einen Krisenplan entwickeln, auf den man im Fall der Fälle schnell zurückgreifen kann.
Wie sieht so ein Krisenplan aus?
Experten raten zunächst die Ruhe zu bewahren und das Krisenhandbuch zu Rate zu ziehen. Lea Gallon von der elsch&fink GmbH beschreibt das Krisenhandbuch als einen Leitfaden, nach dem Unternehmen im Falle eines Shitstorms vorgehen sollten. Es enthält Antworten auf folgende Fragen:
Ab wann ist es ein Shitstorm – und wie merkt man das?
Hierfür ist ein gründliches Monitoring wichtig. Man kann mit geeigneten Tools überwachen ob Firmen- oder Produktnamen irgendwo im sozialen Netz erwähnt werden.
- welche und wie viele Kundenanfragen eingehen (zufrieden, unzufrieden, schäumend vor Wut …)
- welche Neuigkeiten im Wettbewerb und der Branche kursieren, um auf Skandale frühzeitig reagieren zu können
- was bekannte Influencer aktuell sagen
- was die Unternehmensführung in den sozialen Medien tut – Fehler Einzelner fallen unter Umständen auf das gesamte Unternehmen zurück
Mithilfe von Google Alerts https://www.google.de/alerts kann man sich bei Verwendung bestimmter Begriffe im Netz benachrichtigen lassen. Es empfiehlt sich ein Social Media-Tool mit entsprechender Benachrichtigungsfunktion einzusetzen. Spätestens im Krisenfall benötigt man ein solches Tool.
Wer muss jetzt reagieren?
Rollen und Verantwortlichkeiten sind im Krisenhandbuch eindeutig festgelegt. im Falle eines Shitstorms muss klar sein, welches Kernteam sofort zu reagieren hat (und dafür im Zweifel das Tagesgeschäft vernachlässigen kann). Falls es hart auf hart kommt, sollte es einen Ansprechpartner für Presseanfragen der klassischen Medien geben.
Was sagen wir?
Die Kommunikation muss in einem Krisenfall sowohl intern als auch extern streng geregelt sein. Intern müssen die relevanten Personen immer auf dem Laufenden bleiben. Legen Sie fest, wer diese sind und durch wen sie wie oft und wie informiert werden müssen. Die Mitarbeiter sollten gebrieft werden. Sie sollten sich auf keinen Fall emotional an der Debatte beteiligen. Nach außen kommuniziert im Krisenfall nur das Krisenteam. Man kann im Krisenhandbuch sogar vorformulierte Statements festlegen, die im Krisenfall den Gegebenheiten angepasst werden. Auf diese Weise kann man besonders schnell reagieren.
Achtung: Mustertexte müssen passgenau für die aktuelle Situation umgeschrieben werden. Wenn bemerkt wird, dass vorbereitete Texte verwendet wurden, gießt das nur noch mehr Öl ins Feuer.
Wollen Sie auf Nummer Sicher gehen?
Ein Shitstorm kann intern durch einen Probelauf simuliert werden. So können Unstimmigkeiten im Krisenhandbuch aufgedeckt und bereinigt werden. Das Krisenhandbuch kann auch durch einen Juristen überprüft werden. Das schützt das Unternehmen selbst (welche Aussagen sind statthaft) und klärt darüber auf, was User dürfen und ab wann man anwaltlich vorgehen sollte.
Welche Reaktionszeit ist angemessen?
Ein Shitstorm entwickelt sich mitunter innerhalb weniger Stunden. Es kommt darauf an schnell, aber überlegt zu handeln.
1. Statement veröffentlichen
Als erste Maßnahme hat sich die Veröffentlichung eines Statements bewährt. Man sollte die Community wissen lassen, dass man sich der Unruhe bewusst ist, dem Problem auf den Grund gehen wird und so bald wie möglich mehr Informationen bereitstellt. Selbst, wenn noch keine Lösungen oder Erklärungen angeboten werden können, zeigt man so, dass man die Belange seiner Kunden, Fans und Follower ernstnimmt. Dieses Statement sollte in dem Netzwerk gepostet werden, in dem sich die Krise entwickelt. Genau hier sollte man umgehend kommunizieren. Das Internet ist rund um die Uhr online. Das heißt, dass im schlimmsten Fall Überstunden oder Wochenenddienst anstehen. Bei einem Shitstorm brauchen Sie Mitarbeiter, die auch in dieser Situation zum Unternehmen stehen.
Was man auf keinen Fall tun sollte: irgendetwas abstreiten. Man sollte anerkennen, dass es ein Problem gibt und alle neuen Informationen transparent und zeitnah kommunizieren.
2. Message festlegen
Sobald das erste Statement veröffentlicht ist, sollte man recherchieren. Ist die Kritik berechtigt? Woher stammt die Aufregung?
Wenn die Fakten aufgedeckt sind, muss ein Standpunkt definiert werden. Wie steht der Geschäftsführer des Unternehmens zu den Anschuldigungen? In welchen Punkten kann man das Publikum besänftigen? Meist kommt es gut an, sich zu entschuldigen. Wenn die Emotionen hoch schlagen erregt alles andere oft nur Unmut.
Da sich die Dinge in einem Shitstorm schnell entwickeln, kann man nicht jedem einzelnen Social Media Manager auf die Hände schauen. Ob per Meeting oder Rundmail mit höchster Priorität; Der Standpunkt des Unternehmens sollte intern der gesamten Firma klar sein. Alle Social Media Mitarbeiter vertreten ihn ab sofort nach außen.
3. Stellungnahme veröffentlichen
Wenn die Message feststeht, muss daraus eine Stellungnahme für die Community formuliert und auf allen sozialen Netzwerken veröffentlicht werden. Außerdem sollte gut sichtbar eine Pressemitteilung für Journalisten untergebracht werden, zum Beispiel auf der Startseite oder in einem fixierten Beitrag bei Facebook oder Twitter. Sollte jemand berichten wollen, muss er dazu in der Lage sein, schnell und einfach den Firmenstandpunkt zum Thema zu finden. Hier kann man eventuell mit Textelementen aus dem Krisenhandbuch arbeiten.
4. vorgeplante Posts abschalten
Wer professionelles Social Media Marketing betreibt, arbeitet meistens mit vorgeplanten Posts. Wenn diese Entwürfe vom System automatisch zu einem festgelegten Zeitpunkt veröffentlicht werden, dann sollte das deaktiviert und erst nach Beilegung der Krise wieder aktiviert werden.
5. mit der Kritik auseinandersetzen
Jetzt ist es Zeit sich intensiv mit den Anschuldigungen, Behauptungen und Argumenten der Kritiker auseinanderzusetzen. Dabei ergeben sich bestimmte Gruppierungen. Oft zeigen sich folgende Typen von Nutzern:
- Ehrliche Entrüstung: Einige Nutzer sind aufrichtig empört, kritisieren das Unternehmen aus Überzeugung und Prinzip und wollen die Situation verbessern.
- Notorische Nörgler/Trittbrettfahrer: Manche empfinden eine gewisse Befriedigung dabei, sich aufzuregen, und wollen vor allem, dass der Shitstorm so lang wie möglich anhält (“Das ist ja unerhört! Das hätte ich nie gedacht! Schämen Sie sich! Was werden Sie jetzt tun?!”).
- Eigennutz: Manche wollen aus der Situation einen persönlichen Nutzen ziehen (“Unmöglich! Ihr Unternehmen sollte sofort Rabattgutscheine verteilen oder noch besser, die Preise dauerhaft senken!”).
- Trolle: Mischen aus Jux mit (“Ihr Unternehmen stinkt!!11!!1”).
Je nach Nutzertyp unterscheiden sich auch die Anliegen: Die einen stellen konkrete Forderungen, andere verlangen nur, dass sich irgendetwas ändert, und ein paar stänkern unproduktiv herum.
Es ist wichtig differenziert zu kommunizieren. Man sollte keinesfalls jedem Nutzer dasselbe antworten. Man sollte inhaltliche Kategorien identifizieren und dafür gezielt Antworten und Informationen bereitstellen. Im Idealfall erfordert jede Nutzergruppe eine eigene Strategie.
6. Diskussion moderieren
Auf jeden Fall sollte man unbedingt auf die Beiträge der Nutzer reagieren. Krisenkommunikation ist wichtig. Einen Shitstorm zu ignorieren hilft nichts. Mit der richtigen Kommunikationspolitik kann man ihn aber in normale Bahnen lenken. Richtige Kommunikationspolitik heißt auch, keinen Kommentar zu löschen und nichts zu zensieren. (Außer solche, die andere Nutzer beleidigen oder die rechtsextreme, rassistische oder sonstwie rechtswidrige Inhalte enthalten – und die auch nur mit öffentlicher Erklärung.) Löschen macht alles nur noch schlimmer. Man sollte stattdessen versuchen, auf möglichst alle Kommentare persönlich einzugehen. Kurze und knackige Antworten bieten weniger Angriffsfläche. Links zu passenden Informationen bereitzustellen ist besser, als diese direkt im Kommentar zu erklären. Nutzer werden damit an einen anderen virtuellen Ort gelenkt.
Grundregel: Man sollte nie mehr als dreimal zurückschreiben, da man die Auseinandersetzung nur moderiert und nicht engagiert mitdiskutiert.
Im Zweifel sollte man Regeln des Miteinanders aufstellen. Man kann ankündigen sich vorzubehalten, dass Beiträge aus der Diskussion entfernt werden können, die gegen diese Regel verstoßen.
7. Informationen zentral bereitstellen
Es ist sinnvoll eine eigene Microsite auf der Firmenwebseite anzulegen, um alle Informationen zentral zu sammeln. So wissen Community und Journalisten wo sie nachschauen müssen, um den aktuellen Stand zu erfahren. Man kann in diesem Bereich nochmals erwähnen, dass man sich bewusst ist, dass ein Problem besteht und dass man daran arbeitet es zu lösen. Man kann sich nochmals entschuldigen. Für die Presse sollte ein öffentliches Statement bereitstehen. Alle Neuigkeiten und Details und der kompetente Ansprechpartner sollten dort zu finden sein. Eine konkrete Aussage was getan wird, um das Problem aus der Welt zu schaffen und welche Konsequenzen daraus für die Zukunft gezogen werden. Es ist sinvoll die Kommentarfunktion aktiviert zu lassen, damit es ein kontrolliertes Umfeld gibt, in dem Unmut kundgetan werden kann.
8. Rechtslage beachten
Auf juristisch bedenkliche Äußerungen dürfen und müssen Sie als Moderator reagieren. In einem solchen Fall benötigt man juristische Unterstützung. Der Jurist muss über Sachlage als auch über Verstöße gegen die Regeln informiert werden, um rechtlichen Beistand leisten zu können. Es ist nützlich einen solchen Experten bereits im krisenhandbuch vermerkt zu haben, um im Krisenfall schnell reagieren zu können.
9. Auswertung
Die Krise ist vorbei, aber die Arbeit noch nicht! Man sollte diese Situation dokumentieren und auswerten, um für zukünftige Ernstfälle daraus zu lernen.
Wie hat sich die Krise entwickelt? Was war der Auslöser? Wie entwickelte sich die Stimmung? Gab es entscheidende Wendungen? Gab es Online-Offline-Schnittstellen? Alle Tweets, Statusupdates, Blogkommentare, E-Mails und Facebook-Beiträge sollten gespeichert werden, die während der Krise geschrieben wurden. Wie hat sich der Shitstorm auf den Traffic der Webseite ausgewirkt? Über welche Suchanfragen wurde die Website gefunden? Wie hat sich die Situation in den sozialen Netzwerken ausgewirkt? Wie viele Fans und Follower wurden verloren, wie viele dazugewonnen? Wie entwickelte sich die Situation in den nachfolgenden Wochen? Hat sich das Krisenhandbuch bewährt? Wo sind Engpässe entstanden? Wie gut hat die interne Kommunikation funktioniert? in einer solchen Situation erkennt man auch Freunde. Merken Sie sich, wer das Unternehmen verteidigt hat und melden Sie sich hinterher persönlich bei diesen Nutzern, um sich zu bedanken. Das stärkt die Markentreue.
Fazit
Die Bewältigung eines Shitstorms fällt mit einem Krisenhandbuch deutlich leichter. Ja, das bedeutet einmal Arbeit. Aber im Rahmen der Social Media-Strategie sollte es schnell zusammengestellt sein.
Wenn alles gut geht brauchen Sie es wahrscheinlich nur, um sich besser zu fühlen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie sich jemals mit einem Shitstorm auseinandersetzen müssen ist nicht sehr hoch. Laut einer Umfrage von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/545944/umfrage/anteil-der-von-shitstorms-betroffenen-unternehmen-in-deutschland/ waren 81 % aller befragten Unternehmen noch nie Ziel eines Shitstorms. Das trifft meist nur große, oft international tätige Konzerne.
Natürlich wird es immer Ausnahmen von der Regel geben. Vereinzelt gibt es auch “Problembranchen”, beispielsweise bei Versicherungsnehmern, deren Versicherung nicht gezahlt hat oder Schulen, die gerade in irgend einem Brennpunkt stehen. Aber insgesamt ist die Situation bei kleineren Unternehmen der Region eher entspannt.
Zehn schlechte Kommentare in Folge sind noch kein Shitstorm. Fragen Sie einfach einen kompetenten Social Media Manager. Er wird sie in kürzester Zeit freundlich, hilfreich und konstruktiv beantworten.